Es ist
schon oft versucht worden, die Hürden zur Marx-Lektüre für das breite Publikum
zu senken. Sogar per Comic oder CD-Rom haben Ökonomen versucht, Marxsche
Gedanken (und auch ihre Missverständnisse und Fehlinterpretationen) unters Volk
zu bringen. Michael Heinrich, Redakteur der Zeitschrift Prokla und
Lehrbeauftragter an der FU Berlin, hat einen neuen Versuch unternommen. Er ist
gelungen. Auf nur 220 Seiten bringt der Autor eine Kurzfassung der drei Bände
des "Kapital" zustande, erklärt die Zusammenhänge von Arbeit, Ware,
Geld, wie der Mehrwert entsteht, was Kapital ist, welche Rolle Banken und Börse
spielen und woher Krisen kommen. Daneben beschäftigt er sich mit der Geschichte
des Marxismus, entzaubert den schillernden Begriff "Dialektik" und
schickt noch ein Kapitel über die Rolle des Staates im Kapitalismus hinterher.
Nebenbei widerlegt er verbreitete Irrtümer über das Marxsche Werk: so die
Annahme, Marx hätte eine Zusammenbruchstheorie des Kapitalismus geschrieben,
Marx hätte Ausbeutung für ungerecht oder den Staat für ein Instrument in den
Händen des Monopolkapitals gehalten. Am Ende steht ein Ausblick in eine
"Gesellschaft jenseits von Ware, Geld und Staat". Das ist alles sehr
kompakt und ersetzt - das betont der Autor - nicht die Lektüre des Originals.
Heinrichs Buch ist verständlich geschrieben, doch bleibt die Materie kompliziert.
Das wiederum kann man weder Heinrich noch Marx anlasten, sondern nur dem
Kapitalismus.
Stephan
Kaufmann, Berliner Zeitung, Montag 5. Juli 2004